Dienstag, 19. August 2014

Das passt doch nicht. Geschlechtsstereotypen.

Vor kurzem war ich allein in einem Spielzeugladen, um ein Buch für den Zwergenkönig zu kaufen. Während ich die Regale durchstöberte und mich darüber wunderte, was es nicht alles gibt, hörte ich die Stimme einer Frau, die offenbar zwei Regale weiter mit ihrem Ableger diskutierte: "Nee, Schatz, das kauf ich nicht. Guck mal, das ist doch für Mädchen, das passt doch nicht."

Interessiert spitzte ich die Ohren, da die Thematik seit Kindergarteneintritt in anderer Form auch bei uns zu Hause Einzug gehalten hat.

Das Kind verlieh mit weinerlicher Stimme seiner Enttäuschung Ausdruck: "Aber Mama, das kann doch hüpfen. Bitte, bitte, warum darf ich das nicht haben?"

Was der kleine Junge wohl haben wollte? Ich schätzte ihn nach seiner Stimme auf zarte 5 Jahre. Ein knallrosa Barbie-Pferd? Ein Filly-Einhorn? Ein wallendes Prinzessinnenkleid? Nun war ich richtig neugierig geworden.

Die Mutter seufzte und erklärte: "Wir können ja mal gucken, ob es das nicht auch in Blau gibt. Oder Grau. Aber Pink ist doch nicht für Jungen. Das kannst du keinem draußen zeigen. Da lachen dich doch alle aus."

Huch, doch kein Barbie-Pferd. Die gibt es nicht in Blau, das dürfte die besagte Mutter wissen. Was zum Geier wollte das Kind haben? Ich musste es wissen.
Also lugte ich von meinem Standort aus um die Ecke.

Ha, jetzt war ich schlauer!

Es war ein simples Jojo. Leuchtend pink, mit einer Schnur daran, dazu Schmetterlinge auf dem Gehäuse. Na, das wäre wirklich ein Aufreger, wenn der Bub damit draußen gespielt hätte. ;-)

Wahrscheinlich kann ich hier die große Klappe haben: Mein Kind ist völlig schmerzfrei, wenn es um den Bruch mit Geschlechtsstereotypen geht.
Abgelegte Leggings in leuchtendem Türkis von der Cousine? Gefallen ihm, reißt er mir aus der Hand, zieht er mit Hingabe an.

Der Zwergenkönig besitzt auch eine Babypuppe, die er unbedingt haben wollte. Die haben wir mal beim Möbelschweden mitgenommen, als er noch recht klein war.
Die freundliche Frau an der Kasse scannte den Artikel ein und reichte das Püppchen an meinen Sohn mit den Worten: "Das will die Kleine sicher gleich haben."

In des Zwergenkönigs Kinderzimmer steht eine Spielküche, die auch sehr gern bespielt wird. Als der Sohn einer Bekannten zu Besuch war und der Kleine ewig lange mit der Spielküche hantierte, bedauerte seine Mutter, dass ihr Kind keine haben dürfte - der Vater wolle es nicht, das sei "Frauenkram".

Einer der Lieblingscharaktere des Zwergenkönigs aus Büchern und TV-Serien ist die Protagonistin von "Lauras Stern".

Regenbogenkleidung im Katalog? Ich kann gewiss sein, dass mein Kind auf das Bild tippen und kund tun wird, dass es diese Hose haben will. Unweigerlich führt diese Hose dazu, dass er im Kindergarten von seinen Kumpels gefragt wird, ob er ein Mädchen wäre.

Nein, ich zwinge das Kind nicht, mit Puppen zu spielen, bunte Sachen und schulterlanges Haar zu tragen, weil er damit womöglich Aufmerksamkeit erregen könnte. Ihm gefällt es so, er will es so - und er denkt sich ÜBERHAUPT NICHTS dabei. All diese Dinge sind so gar kein Statement für ihn.
Er mag sie einfach.


Wahrscheinlich kann er deshalb auch ganz gut damit umgehen, wenn andere Kinder oder deren Eltern ihn darauf ansprechen, dass all das Zeug doch nicht für ihn, einen Jungen, gemacht und gedacht sei.

Eine seiner Erzieherinnen erzählte mir, dass er sich dann breitbeinig in den Raum stellen würde, die Hände in die Seiten gestützt, und laut verkünden würde: "Ich bin aber kein Mädchen. Ich bin ein Junge!" Und damit wäre es gut.

Manchmal frage ich mich, ob ich ihm nicht verklickern sollte, dass er eventuell zur Zielscheibe werden könnte, wenn er mit "Mädchenkram" daherkommt.
Und insofern verstehe ich die Intention der Spielzeugladen-Mutter ansatzweise, die sie davon abhielt, das pinkfarbene Jojo zu kaufen.

Aber dann denke ich mir: Warum sollte ich das tun? Er ist ein kleiner Junge von knapp 4 Jahren, was interessieren ihn solche Kategorisierungen? Führt das nicht viel mehr zu Verunsicherungen bei meinem Kind? Dass er nicht ok ist?

Irgendwann wird der Tag kommen, an dem das Peergroup bedingt alles uncool und für Mädchen sein wird. Bis dahin darf er seine Erfahrungen machen.


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